Flugzeuge zur Landung gezwungen - USA-Belarus - wo ist der Unterschied?
Gerüchte um Snowden Boliviens Präsident musste in Wien landen Evo Morales war auf dem Weg von Russland nach Bolivien - Weil es hieß, Snowden sei an Bord seiner Maschine verweigerten Frankreich, Portugal, Spanien und Italien die Überflugsrechte und Morales musste in Wien landen - Snowden ist laut Sprecher von Außenminister Spindelegger nicht an Bord

Olivera Stajic, Stefan Binder

3. Juli 2013, 06:42

Wien/Moskau - Boliviens Staatschef Evo Morales befand sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch für 13 Stunden in Wien. Sein Aufenthalt in der österreichischen Bundeshauptstadt war jedoch unfreiwillig: Nachdem Gerüchte aufkamen, wonach sich der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden an Bord des bolivianischen Regierungsjets befinden könnte, verweigerten Frankreich, Italien, Spanien und Portugal in der Nacht auf Mittwoch die Überflugrechte für das Flugzeug, das auf den Weg von Moskau nach La Paz war. Die Maschine vom Typ Dassault Falcon landete um ca. 23 Uhr am Flughafen Wien Schwechat. Der bolivianische Präsident hatte zuvor an einer Konferenz in Moskau teilgenommen.

Verwirrung um Snowden: Flugzeug von Präsident Morales zu Wien-Stopp gezwungen Foto: Helmut Fohringer / dpa

Um 2 Uhr 30 morgens lud der bolivianische Botschafter in Wien ausgewählte Journalisten zu einer eilig einberufenen Presskonferenz im VIP Terminal am Flughafen Wien Schwechat. Boliviens Verteidigungsminister Rubén Saavedra Soto, der sich ebenfalls an Bord der Regierungsmaschine befand, verlas sichtlich empört eine Erklärung. Er wertete die unfreiwillige Landung als einen "direkten Angriff auf den Präsidenten". Scharf kritisierte er dabei Italien und Portugal. Weil sie ihren Luftraum nicht geöffnet haben, "haben sie das Leben des Präsidenten gefährdet", sagte der Minister. Frankreich, sagte Saavedra weiter, habe den Luftraum für den Jet inzwischen geöffnet, derzeit suche man nach einer Route zurück nach Bolivien.

Der bolivianische Verteidigungsminister betonte weiters, dass es von Seiten Morales keinen offiziellen Kontakt zu Snowden gab. Dass sich der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter in der Maschine befinde, sei "ein blödes Gerücht", die bolivianische Regierung wisse nicht, wo Snowden ist. Laut Alexander Schallenberg, dem Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger, ist Snowden nicht gemeinsam mit Morales in Schwechat gelandet.

Spindelegger und Fischer in Schwechat

Sowohl Bundespräsident Heinz Fischer als auch Außenminister Michael Spindelegger statteten Morales diplomatische Besuche in Schwechat ab. Gegen Mittag war klar, dass die Präsidentenmaschine ihren Flug über die Kanarischen Inseln Richtung La Paz fortsetzen könne. Evo Morales übte vor seinem Abflug noch scharfe Kritik an den Ländern, die ihm die Überfluggenehmigung verweigert hatten. Die für seine Festhaltung in Wien verantwortlichen Länder hätten einen "historischen Fehler" begangen. Spanien hatte zuletzt eingelenkt, nachdem zuvor bereits Italien, Frankreich und Portugal der Maschine wieder gestattet hatten, ihren Luftraum zu benutzen.

Mikl-Leitner: Österreich hat keine Angst vor den USA

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte im Ö1-Morgenjournal, dass es, hätte sich Snowden an Bord befunden, zu einem regulären Asylverfahren in Österreich gekommen wäre. Ein solches Verfahren beginne mit der Feststellung der Identität der Person und einem Erstgespräch mit der Asylbehörde. Ob ein solches Verfahren Chancen auf Erfolg hätte, wollte die Ministerin nicht kommentieren. Sie wolle Entscheidungen von Behörden und unabhängigen Gerichten nicht vorgreifen. Grundsätzlich muss ein Antrag auf Asyl in Österreich immer im Inland - also in Österreich - gestellt werden. Der Antrag von Snowden über die russische Botschaft in Moskau ist deswegen nicht gültig. Ein Abrücken von dieser Position ist für die Ministerin keine Option: "Es gibt klare gesetzliche Regelungen."

Mikl-Leitner betonte, es gebe keine Angst vor den USA, wie vielleicht in anderen europäischen Ländern, denn Österreich habe schließlich seinen Luftraum für die Maschine von Morales nicht gesperrt. Die Innenministerin sagte weiter, sie verstehe die Sympathien, die Snowden von großen Teilen der Bevölkerung entgegen gebracht werden, schließlich haben er eine wichtige Debatte über die Legitimität der Geheimdienste losgetreten. Mikl-Leitner bezeichnete auch die derzeitigen Beziehungen zu den USA als gestört. Deshalb gebe es auch einen Fragenkatalog, der gemeinsam mit Deutschland erarbeitet und an die USA übergeben wurde, und auf dessen Beantwortung jetzt gedrängt werde.

"Ungerechtigkeit"

Die Regierung in La Paz erklärte, dass Frankreich und Portugal die Überflugrechte für das aus Moskau kommende Flugzeug verweigert hatten, woraufhin in Wien zwischengelandet werden musste. Grund seien "unbegründeten Verdächtigungen" gewesen, dass sich der von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstler Edward Snowden an Bord befinde, sagte Außenminister David Choquehuanca. Er wisse nicht, "wer diese Lüge erfunden hat" und verurteilte die "Ungerechtigkeit", die Präsident Morales widerfahren sei.

UNSASUR will Protest einlegen

Inzwischen wurde bekannt, dass der südamerikanische Staatenbund UNASUR in einer Sondersitzung Stellung zum Überflugverbot der Maschine des bolivianischen Präsidenten nehmen will. Ecuadors Staatschef Rafael Correa und seine argentinische Kollegin Cristina Fernandez de Kirchner forderten am Dienstagabend (Ortszeit) die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung der UNASUR, um gegen das Überflugverbot des bolivianischen Präsidentenflugzeugs über mehrere europäische Staaten Protest einzulegen. Cristina Kirchner erklärte über ihren Twitter-Account, der peruanische Präsident und UNASUR-Vorsitzende Ollanta Humala habe ihr die Einberufung der Sitzung bestätigt.

Snowden hält sich seit mehr als einer Woche im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf. Er kann ihn ohne russisches Visum nicht verlassen, nachdem die USA seinen Pass für ungültig erklärt hatten. Der Enthüller der Späh- und Spionageprogramme des US-Geheimdienstes NSA hat in zahlreichen Staaten Asyl beantragt. Einen Asylantrag in Russland hatte er dagegen selbst zurückgezogen. Die USA suchen weltweit nach dem 30-Jährigen und haben alle Regierungen aufgefordert, ihm kein Asyl zu gewähren. (Olivera Staji?, Stefan Binder, red, derStandard.at, 3.7.2013)


Quelle: der Standard

Kommentare

dr. kokos 15
3. Juli 2013, 19:51:13

alle politischen mandatare europas mit ausnahme vielleicht einiger grüner können sofort zurück treten und ihre noch arschwarmen stühle von obama eingesetzten us-agenten überlassen. das wäre ehrlicher.

der fall snowden sollte wirklich auch dem letzten zweifler klar machen, wie es um begriffe wie "freundschaft", "transatlantisches bündnis" etc. bestellt ist.

unsere länder sind vasallenstaaten eines imperiums, die man nach belieben ausplündern (reparationszahlungen bis heute, künstlich aus subprime-krise erzeugter "euro-krise" etc.) und dominieren kann.

alle "verhandlungen" zwischen den "partnern" sind und waren immer schon reines bla bla. heraus kommt, was den usa dient und nicht uns!

paper clip
3. Juli 2013, 19:32:07

Unfassbar
Da Spionieren uns die US-Geheimdienste in unserem EU-Parlament, in Konzernen/Firmen, auf unseren Mobiltelefonen und PCs aus - sorgen für einen riesen Skandal. Wo sich jeder zweite Nationalratsabgeordnete aufpudelt und aufregt. Und dann helfen wir (EU) den USA noch Ihren meistgesuchten Mann zu finden indem Flugzeuge zur Zwischenlandung zwingen. Was geht Portugal, Spanien, Frankreich, Italien an, wer sich in diesem Flugzeug befindet? Vor allem nach diesem Spionage-Vorfall. Ein Wahnsinn, die EU scheint eine von den USA gelenkte Marionette zu sein. Ich bin enttäuscht, dass die EU-Länder bei diesem miesen Spielchen mitspielen.

Ahja, lieber US-Geheimdienst, da ihr mitlest: Liebe Grüße! meinen Namen, Adresse, Telefonummer habt ihr ja


17. April 2014, 18:02 Uhr

Fall Edward Snowden: Berlin verlangt Antworten von der US-Regierung Edward Snowden im Dezember 2013.
(Foto: AFP)

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte in diesen Tagen gesagt, er habe die Sorge, dass Snowden bei einer Reise nach Deutschland Gefahren ausgesetzt wäre, die auch die Bundesregierung nicht überschauen könne. Er spielte damit auf einen möglichen Zugriff der US-Geheimdienste an, sollte Snowden Moskau verlassen. Gabriel erinnerte an die erzwungene Landung der bolivianischen Präsidentenmaschine im Juli 2013 in Wien.

Damals hatten die US-Dienste den früheren NSA-Mitarbeiter an Bord vermutet. In SPD-Kreisen wird das Szenario diskutiert, die USA könnten mit Kampfjets eine Snowden-Maschine, die auf dem Weg nach Deutschland sei, etwa über dem Gebiet Polens zur Landung zwingen. Gabriel schlug vor, die Mitglieder des Untersuchungsausschusses könnten Snowden in Moskau als Zeugen befragen.


Quelle: Süddeutsche

Landung in Minsk "Staatsterrorismus": Ließ Belarus-Diktator Ryanair-Flugzeug zu Boden bringen, um Oppositionellen zu inhaftieren?

von Daniel Wüstenberg 23.05.2021, 20:41 Uhr

Das belarussische Regime hat offenbar die Landung eines Ryanair-Flugzeugs ins Minsk erzwungen, um einen Oppositionellen an Bord zu verhaften. Der Vorgang löst international Empörung aus. Der Festgenommene muss nun um sein Leben fürchten. Die Ryanair-Maschine auf dem Flughafen der belarussischen Hauptstadt Minsk
© Onliner.by / AFP

Flug FR4978 hob am Sonntagmorgen um 7.29 Uhr vom Internationalen Flughafen in der griechischen Hauptstadt Athen ab. Keine drei Stunden später sollte die Boeing 737 (rund 190 Sitzplätze) von Ryanair in der litauischen Hauptstadt Vilnius landen - ein Flug von EU-Land zu EU-Land.

Die geplante Route führte fast wie mit dem Lineal gezogen nach Norden über Bulgarien, Rumänien, die Ukranie, Belarus. Doch nach gut zwei Stunden wich die Maschine im belarussischen Luftraum vom Kurs ab, dreht nach Osten, um wenig später auf dem Flughafen der Hauptstadt Minsk zu landen. So belegen es Daten des Portals "Flightradar24". Grund für das Manöver sei eine "Notlandung" wegen einer "Bombendrohung", hieß es zunächst.

Aufzeichnungen von "Flightradar24" zeigen die Route von Flug FR4978

Doch schon kurz darauf verdichteten sich die Hinweise, dass ein beispielloser Vorgang zu dem ungeplanten Stopp in Minsk führte. Ließ der belarussische Langzeit-Diktator Alexander Lukaschenko die Ryanair-Maschine zu Boden bringen, um einen an Bord befindlichen missliebigen Journalisten einsperren zu können? Sehr viel spricht dafür. Mehrere Politiker in der Europäischen Union sprachen ihr Entsetzen aus, sogar von "Staatsterrorismus" des Regimes in Minsk war die Rede.

Es geht um Roman Protassewitsch, der mit den übrigen nach vorläufigen Angaben 122 Passagieren am Samstagmorgen in Athen die Ryanair-Maschine betreten hatte, um nach Vilnius zu fliegen. Als Mitbegründer und früherer Redakteur des oppositionellen Nachrichtenkanals "Nexta" steht der 26-Jährige auf der Liste der "Staatsfeinde" des Lukaschenko-Regimes. Unter anderem wird ihm die Beteiligung an terroristischen Handlungen vorgeworfen.

Tadeusz Giczan, einer seiner "Nexta"-Mitstreiter, schrieb bei Twitter, Protassewitsch haben beim Besteigen des Flugzeugs bereits bemerkt, das Mitarbeiter des belarusssichen Geheimdienstes mit an Bord gegangen seien. Im belarussischen Luftraum sollen diese dann eine Auseinandersetzung mit der Besatzung begonnen haben, sodass die Cockpit-Crew SOS gefunkt habe.

Roman Protassewitsch bei einer Festnahme 2017
© Sergei Grits / AP / DPA

Die belarussische Flugsicherung habe dem Kapitän der Boeing daraufhin von einer Bombe an Bord berichtet und die Maschine nach Minsk beordert, meldete dazu die russische Zeitung "Novaya Gazeta" - angeblich auf direktes Geheiß von Alexander Lukaschenko, wie die Staatsagentur "Belta" schrieb. Der eigentliche Zielflughafen Vilnius wäre den "Flightradar24"-Aufzeichungen zufolge näher gewesen. Nach Angaben belarussischer Behörden ist nach dem Alarm ein MiG-29-Kampfjet aufgestiegen, um das Flugzeug zum Minsker Flughafen zu eskortieren.

Dort gelandet, seien Flugzeug, Passagiere und Besatzung überprüft worden. Eine Bombe wurde nicht gefunden. Allerdings ist Roman Protassewitsch laut "Nexta" an Ort und Stelle festgenommen worden.

"Sie haben uns aus dem Flugzeug geholt, die Hunde haben an unserem Gepäck gerochen. Sie haben diesen Mann (Roman) beiseite genommen und seine Sachen auf die Landebahn geworfen. Wir haben ihn gefragt, was los ist", schilderte ein Passagier laut "Nexta"-Chefredakteur Giczan. Protassewitsch habe dem Mitreisenden zitternd gesagt, wer er ist. Dann seien Soldaten gekommen, um den Oppositionellen abzuführen.

Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre dies ein neuerlicher Tabubruch des belarussischen Diktators. Entsprechend klar fallen die Reaktionen aus den Reihen der Europäischen Union aus:

" Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat erzwungene Landung mit scharfen Worten verurteilt und die Freilassung des belarussischen Oppositionellen Roman Protasewitsch verlangt. Die Bundesregierung sei "sehr besorgt über Meldungen, dass auf diesem Weg der Journalist Roman Protasewitsch verhaftet wurde", fügte Maas hinzu.

Das kann nicht ohne deutliche Konsequenzen von Seiten der EU bleiben. Wir stehen in engem Austausch mit den EU-Partnern. In jedem Fall muss #Belarus die Sicherheit, Unversehrtheit und Freiheit aller Passagiere unverzüglich gewährleisten und Roman Protasewitsch freilassen.

- Heiko Maas ???? (@HeikoMaas) May 23, 2021
"Es ist absolut inakzeptabel, den Ryanair-Flug von Athen nach Vilnius zu zwingen, in Minsk zu landen", schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Alle Passagiere müssten in der Lage sein, ihre Reise nach Vilnius unverzüglich fortzusetzen, und ihre Sicherheit müsse sichergestellt werden. Verletzungen der internationalen Luftverkehrsregeln müssten Konsequenzen haben.

Dieser Einschätzung schloss sich auch der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen an. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte: "Ein solcher Akt verstößt gegen internationales Recht und kann nicht unbeantwortet bleiben." Aus etlichen anderen europäischen Ländern kamen ebenfalls entsetzte und empörte Reaktionen. Vereinbart ist, dass die offenbar erzwungene Notlandung des Flugzeugs beim EU-Sondergipfel am Montagabend diskutiert wird - und weitere Konsequenzen gegen das Lukaschenko-Regime beschlossen werden. Auch die Nato hat sich mittlerweile eingeschaltet. Das Verteidigungsbündnis nannte die Flugzeug-Umleitung durch Minsk einen "ernsthaften und gefährlichen Vorfall".

Inzwischen ist die Ryanair-Maschine - nun mit der Flugnummer FR497 - in Vilnius gelandet. Ob Roman Protassewitsch an Bord an Bord war, ist noch nicht bekannt.

Die in Litauen im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja erklärte, ihm drohe nun die Todesstrafe in seinem Heimatland. Bevor Protassewitsch von den Soldaten abgeführt worden sei, soll er seinem Mitreisenden seine furchtbare Vorahnung mitgeteilt haben. "Sie werden mich hier hinrichten."


Quelle: stern.de